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Eindrücke vom Chaos Communication Camp 2019

Wie alles begann

Wir schreiben den 12. September 1981. In den Redaktionsräumen der taz wird am Tisch der ehemaligen Kommune I erneut ein Stückchen Geschichte geschrieben. Es ist dieser Samstag, an dem der Grundstein für eine neue Gemeinschaft von Hackern gelegt wird – an dem der Chaos Computer Club (CCC) gegründet wird.

Die Umstände der Gründung sind wohl gewählt. Bereits von Beginn an war die Infragestellung etablierter Normen ein wesentlicher Bestandteil des CCCs. Nicht nur Technik, Bits und Bytes standen auf dem Tagesplan. Auch politische und gesellschaftskritische Aktionen waren und sind, heute mehr denn je, fest verankert in der Mentalität des Clubs.

Die erste öffentliche Aufmerksamkeit erhielt der CCC mit dem Btx-Hack 1984. Über einen Buffer Overflow im Btx-System, welches bis dahin von der Bundespost als sicher bezeichnet wurde, konnte eines der Mitglieder an einen Daten-Dump eines Zugangsrechners gelangen. Nähere Analyse haben gezeigt, dass sich in den ausgelesenen Daten die Benutzerkennungen und Klartextpasswörter von Kunden der Hamburger Sparkasse (Hamsa) finden ließen. Mit den Zugangsdaten wurden anschließend in einer Nacht 135.000 DM auf ein Konto des CCCs überwiesen. Der Betrag ist nach Veröffentlichung vollständig zurückgezahlt worden.

Im selben Jahr wurden Rufe nach einer offiziellen Veranstaltung des Clubs laut. Der erste Chaos Communication Congress wurde noch im Dezember in Hamburg abgehalten. 1999, 15 Jahre später, fand auf dem Paulshof bei Altlandsberg das erste offizielle Chaos Communication Camp mit insgesamt 1.500 Teilnehmern statt. Seitdem wird das CCCamp alle vier Jahre im Berliner Umland abgehalten.

2019 war es wieder so weit. Vom 21. bis 25. August kamen zum insgesamt sechsten Mal Hacker und IT-Begeisterte aus der ganzen Welt zusammen. Auch in diesem Jahr wurde sich zusammengerottet, um über aktuelle Entwicklungen in Technik und Gesellschaft zu diskutieren, gemeinsam zu hacken und allgemein Spaß zusammenzuhaben. Im Folgenden beschreibe ich meine Eindrücke und Erlebnisse auf dem CCCamp 2019.

Gelände und Anreise

Auch 2019 wurde, genaue wie bei der Veranstaltung vier Jahre zuvor, das CCCamp im Mildenberger Ziegeleipark abgehalten. Das restliche Jahr ist es in dem Nebenort Berlins ziemlich still, die nächste Einkaufsmöglichkeit einige Kilometer entfernt und die Internetanbindung eher mau. Wenn der Chaos Computer Club einreitet, entsteht jedoch für eine Woche eine eigenes kleines Ökosystem samt High-Speed-Glasfaser-Internetanschluss. Natürlich müssen potenzielle Probleme im Netzwerkverkehr auch durch einen temporären Richtfunkturm abgefangen werden können. Internet gehört schließlich zu den Grundbedürfnissen der Hacker.

Das Chaos Communication Camp bei Nacht
Das Chaos Communication Camp 2019 bei Nacht

Genächtigt wurde größtenteils in Zelten, aber auch ein eigener Bereich für Wohnmobile stand zur Verfügung. Glücklicherweise zeigte sich das Wetter von seiner besten Seite. An allen Tagen strahlte die Sonne bereits zum Aufstehen in voller Pracht. Des Öfteren kam es auch vor, dass einen die Hitze schon früh aus dem Zelt getrieben hat.

Sonnenschein auf dem CCCamp 2019

Bunt statt Weiß

Das CCCamp ist nicht nur politisch sehr bunt. Auch in der Wahl der Lichtgestaltung wird kreativ auf jede Farbe des Spektrums zurückgegriffen. Sobald die Sonne untergegangen ist, erstrahlt das gesamte Gelände in kunterbuntem Neonlicht. Für die Besucher gab es an den einzelnen Villages zahlreiche leuchtende Kreativprojekte zu bestaunen. Allgemein gab es wenig bis gar kein einfarbiges weißes Licht, dass der Atmosphäre abtrünnig wäre.

Vorträge, Workshops, Villages

Wer seine Zeit nicht mit CTF-Spielen, Baden im See, Essen, Trinken, Feiern, Tanzen oder einfach nur Umherwandern verbringen wollte, konnte sich auch zahlreiche Vorträge anhören. Technische Beiträge zu Container- und Cloud-Security, IoT- und Car-Hacking oder neuen Internet-Standards standen beispielsweise zur Auswahl. Auch abstraktere Themen zu Ethik, Klimawandel und dem Kampf gegen den politischen Rechtsruck waren vertreten.

Ein besonderes Highlight stellte der Vortrag „20 Jahre Camp“ von Markus Ossevorth, Marc-André Janizewski und Tim Pritlove dar. Die Gründungsväter gaben tiefe, teils auch sehr persönliche Einblicke in die Anfänge des CCCamps. Neben finanziellen und organisatorischen Hindernissen gab es auch durch technischen Wandel und gesteigerte Nachfrage immer neue Hürden, die es in den letzten zwei Jahrzehnten zu meistern gab.

Abseits der offiziellen Vorträge veranstalteten auch die Villages eigene Workshops, Konzerte oder kochten kostenlos Essen für die hungrigen Hacker.

Food Hacking Base am Chaos Communication Camp 2019
Food Hacking Base am Camp 2019

Die Chaos Post ist da!

Trotz oder gerade wegen der Abgeschiedenheit von der Außenwelt wurde auf dem Camp ein eigenständiges Post- und Telefonsystem aufgezogen. Die Besucher konnten sich über das GSM-Netz des Camps eine Nummer zuweisen lassen und kostenlos telefonieren. Über die eingerichtete Chaos Post war es außerdem möglich, Postkarten und Briefe ein seine Liebsten zu verschicken. Wenn sich die Empfänger selbst auf dem Camp befunden haben, lieferten Freiwillige die Briefe sogar direkt ans Zelt.

Briefkasten der Chaos Post
Briefkasten der Chaos Post

Nach dem Camp ist vor dem Camp

Alles in allem ist das Chaos Communication Camp 2019 ein absolutes Highlight des Jahres gewesen. Nicht nur eingefleischte Hacker, sondern auch Kinder und IT-Begeisterte aller Art sind definitiv auf ihre Kosten gekommen. Die Community hat sich bei allen Problemen unterstützt, zusammen gefeiert, gelernt und sehr viel Spaß gehabt. Gerne sieht man sich auch 2023 wieder auf dem nächsten CCCamp.